Lesereihe zur Logistik im Online-Lebensmittelhandel – Teil 5
Teil 5: Ausblick ins europäische Ausland
Im letzten Beitrag der fünfteiligen Lesereihe „Logistik im Online-Lebensmittelhandel“ wirft der eBusiness-Lotse Köln ein Blick aus Deutschland hinaus auf andere europäische Länder. In den zuvor veröffentlichten Beiträgen wurde zunächst detailliert auf Sortiment, Zustellformen, Lieferkosten sowie Lieferzeit und Lieferzeitfenster von acht deutschen Lebensmittel-Online-Shops eingegangen. Ein Blick ins europäische Ausland ist jedoch lohnenswert, da der Online-Lebensmittelhandel dort bereits wesentlich weiter entwickelt ist. Während in Deutschland der Anteil des Lebensmittelhandels am gesamten Online-Markt gerade einmal bei 1,2 Prozent liegt, kaufen in Großbritannien (19,1 %), der Schweiz (17,1 %) und in Frankreich (11,8 %) deutlich mehr Personen Lebensmittel online ein, wie in der Studie „Online-Lebensmittel in Deutschland“ der Unternehmensberatung OC&C Strategy Consultants aus dem Jahr 2010 gezeigt wird. Aus diesem Grund werden diese drei Länder nachfolgend mit ihren Besonderheiten näher betrachtet.Großbritannien – Tesco: Optimierte Logistikzentren
Tesco, der größte britische Handelskonzern und drittgrößte Lebensmitteleinzelhandel-Filialist weltweit nach Walmart und Carrefour, ist auch online mit dem Vertrieb von Lebensmitteln erfolgreich und bietet Liefer- sowie Abholservice an. Tesco stellt dem Kunden bildlich auf der Startseite den Ablauf des Lieferserviceprozesses dar, welcher in Abbildung 1 dargestellt ist. Dadurch können die Kunden schnell erfassen, wie eine Online-Lebensmittelbestellung über den Lieferservice abläuft.
Abbildung 1: Vorgang des Lieferservices bei Tesco
Die Kommissionierung der bestellten Waren für den Lieferservice erfolgte bei Tesco vor dem Jahr 2005 noch vollständig in den Filialen. Dann investierte Tesco aber in Logistikzentren, auch bekannt als „Dotcom-only-Store“, welche sich im Aufbau kaum von einer herkömmlichen Filiale unterscheiden, aber für Kunden nicht zugänglich sind. Diese Logistikzentren wurden speziell für den Online-Handel konzipiert. Bereits das fünfte derartige Logistikzentrum nahm Tesco Anfang des Jahres 2013 in Betrieb. Die Ware gelangt hierbei nach dem Ware-zum-Mann-Prinzip über automatisierte Fördertechniken an den Arbeitsplatz des Kommissioniers. Zudem anders als in den Läden sind die Produkte nicht nach Warengruppen sortiert, sondern entsprechend der Umschlagshäufigkeit platziert. Dieses Kommissioniersystem ermöglicht es Tesco, den Kunden eine höhere Anzahl an Lieferzeitfenstern und ein breiteres Sortiment (26.000 Produkte) anzubieten, da die Kommissionierung durch die Fördertechnik optimierter und leistungsfähiger ist und die Kommissionierung der online bestellten Waren zudem nicht über teure Verkaufsflächen in den bestehenden Supermärkten läuft.
Außer Tesco existieren noch viele weitere Online-Händler, die auch stationär vertreten sind, wie beispielsweise Asda, Sainsbury’s und Waitrose. Händler Asda, der den zweitgrößten Anteil am britischen Markt hält, will allein im Jahr 2013 einen hohen dreistelligen Betrag in den Ausbau seiner Multi-Channel-Aktivitäten stecken. Im Fokus stehen dabei der Abholservice und die Einführung von Same Day Delivery von online bestellten Lebensmitteln. Neben den traditionellen Einzelhändlern wie Tesco, ASDA oder Sainsbury‘s spielen auch reine Online-Händler in Großbritannien eine Rolle. Ocado beispielsweise stieg im Jahr 2001 in den Online-Handel ein und positioniert sich als umweltfreundlicher und sozialer Lebensmittel-Online-Shop. Über eine iPhone-App bietet Ocado seit dem Jahr 2009 einen komplementären Einkaufskanal an und erschließt somit weitere Kanäle für sich. Im Sortiment hat Ocado über eine Kooperationsvereinbarung mit Waitrose über 20.000 Produkte. Darüber hinaus kooperiert Ocado langfristig ab Jahresanfang 2014 mit dem Händler Morrisons, welcher in den Online-Lebensmittelhandel einsteigen wird. Dennoch agiert Ocado weiterhin unter eigener Regie auch als Online-Lebensmittelhändler und unterstützt Unternehmen als Technologie-Dienstleister beim Eintritt in den E-Commerce.
Schweiz – LeShop: Umsatzsteigerung durch mobile Endgeräte
In der Schweiz hat sich, wie in Großbritannien, die Lieferung nach Hause durchgesetzt. Wichtigster Anbieter in der Schweiz ist LeShop, der in Kooperation mit der Migros-Gruppe agiert. Bereits seit dem Jahr 1997 bietet LeShop den Versand online bestellter Waren an. In zwei Zentrallagern werden die circa 12.000 Produkte des Sortiments kommissioniert. Eine eigene Logistik nutzt LeShop jedoch nicht, sondern arbeitet mit Logistikpartnern zusammen. Insbesondere durch die Optimierung des Online-Shops für Smartphones und Tablets konnte LeShop den Umsatz steigern. LeShop legt offen, dass jede vierte Bestellung (27 %) mittlerweile über ein mobiles Endgerät getätigt wird. Die durchschnittliche Warenkorbgröße konnte kontinuierlich gesteigert werden. Betrug der durchschnittliche Warenkorb im Jahr 2009 noch circa 151 Euro (228 CHF), so liegt er laut eigener Angaben von LeShop aktuell bei rund 196 Euro (239 CHF). LeShop begründet dies damit, dass die Lieferung nach Hause vorrangig für den Wocheneinkauf genutzt wird. Zum steigenden Umsatz tragen aber auch die kürzlich eingeführten Abholvarianten wie Drive-Abholstationen oder Rail-Abholstellen bei. Rail-Abholstellen sind für die Zielgruppe der Bahnpendler gedacht und aktuell nur in Lausanne und Zürich verfügbar. Die Abbildungen zeigen die Möglichkeiten und Vorteile der Online-Bestellung bei LeShop auf. Die Konsumenten können wählen zwischen Home (Lieferung nach Hause), Drive (Abholservice) oder Rail (Abholservice am Bahnhof).
Abbildungen: Wahl zwischen Home, Drive und Rail
Frankreich – Drive-Abholservice boomt
In Frankreich hingegen setzen Anbieter überwiegend auf Drive-Abholstationen. Bereits zwei Prozent des Lebensmitteleinzelhandelsumsatzes werden über dieses Konzept erwirtschaftet. Leclerc bietet beispielsweise aktuell an 150 Standorte die Abholmöglichkeit an und Auchan realisiert das Konzept in knapp 50 Filialen. Angesichts des Massenphänomens der Abholung der online bestellten Ware an einer Drive-Station eröffnen die großen Lebensmittelhändler wie Auchan, Leclerc, Système U, Intermarché und Carrefour weitere Abholstationen. Der Erfolg des Konzepts liegt in der Zeitersparnis der Konsumenten begründet. Diese bestellen online und fahren zu einem kurzen Stopp am Abholpunkt vorbei. Es lässt sich jedoch beobachten, dass nur wenig frische Produkte über Drive-Stationen bestellt und abgeholt werden. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass Franzosen einen hohen Anspruch an ihre Lebensmittel haben und diese daher vor dem Kauf begutachten möchten.
Fazit
Das europäische Ausland macht vor, dass Lebensmittel erfolgreich online verkauft werden können und zeigt, wie es in Zukunft auch in Deutschland aussehen könnte. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass die Margen in Deutschland sehr gering sind und ein dichtes Filialnetz in Deutschland existiert sowie deutsche Konsumenten viel stärker beim Lebensmitteleinkauf auf den Preis achten als ihre europäischen Nachbarn. Für den Einstieg der stationären Händler in den Online-Lebensmittelhandel bietet sich die Kommissionierung der Waren aus bestehenden Filialen an, wie es auch Tesco in Großbritannien vorgemacht hat, da in diesem Fall weniger Investitionskosten anfallen. Ob die Lieferung nach Hause (Versand, Auslieferung) oder der Abholservice für den Händler in Frage kommen, hängt vor allem vom Kunden ab. Um gezielt weitere Kunden zu erreichen oder deren Komfort zu erhöhen, könnte der Einsatz mobiler Endgeräte eine zusätzliche Option für den deutschen Online-Händler sein.
Quellen:
Flier, Silvia: LeShop fährt mehr Umsatz heim, URL: http://www.lebensmittelzeitung.net/news/it-logistik/protected/LeShop-Faehrt-mehr-Umsatz-heim_98567.html, zuletzt Zugriff am 02.06.2013.
Kapell, Elisabeth: Tesco Dotcom-Stores mit neuester Technik, URL: http://www.lebensmittelzeitung.net/news/it-logistik/protected/Tesco-Dotcom-Stores-mit-neuester-Technik_98111.html?id=98111&page=1, zuletzt Zugriff am 02.06.2013.
Klaus, Peter; Krüger, Winfried, Krupp, Michael: Gabler Logistik Lexikon – Management logistischer Netzwerke und Flüsse, 5. Aufl., Wiesbaden, 2012.
LeShop: Faktenblatt, Stand 02.04.2013, URL: http://info.leshop.ch/php/BusinessLeShop.php?LeShopMenuId=13&lge=de, zuletzt Zugriff am 08.06.2013.
Linder, Miriam; Rennhak, Carsten: Lebensmittel-Onlinehandel in Deutschland, in: Reutlinger Diskussionsbeiträge zu Marketing & Management – Reutlingen Working Papers on Marketing & Management, 2012.
OC&C Strategy Consultants: Online-Lebensmittel in Deutschland – Steht das Geschäftsmodell in Deutschland vor dem Durchbruch?, ein OC&C-Insight, 2010.
o.V.: Tesco baut Lieferservice aus, URL: http://www.lebensmittelzeitung.net/news/it-logistik/protected/Tesco-Baut-Lieferservice-aus_97365.html, letzter Zugriff am 02.06.2013.
o.V.: Asda nimmt fürs Digitale viel Geld in die Hand, URL: http://www.lebensmittelzeitung.net/news/top/protected/Asda-Nimmt-fuers-Digitalgeschaeft-viel-Geld-in-die-Hand_98868.html, letzter Zugriff am 02.06.2013.
Rode, Jörg: Franzosen haben Drive, URL: http://www.lebensmittelzeitung.net/news/it-logistik/protected/Frankreich-Drive-veraendert-den-Handel_96797.html, letzter Zugriff am 02.06.2013.
Vanderlande: Referenzen – Tesco, URL: http://www.vanderlande.de/de/LagerAutomatisierung/Referenzen/Tesco.htm, letzter Zugriff am 12.06.2013.
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